Mittlerweile waren wir im tiefsten Winter angekommen. Es war kalt, windig und zwischendurch auch mal nass. Draußen etwas zu unternehmen stellte sich als ungemütlich heraus. Aber da wir keine Schönwetterreisenden sind, hat uns das nicht abgehalten, wenigsten einige outdoor Aktivitäten einzustreuen.
Der erste Weg führte uns auf die Rue de Rivoli in eine Buchhandlung. Eine stolze, traditionelle Bastion gegen Amazon und Co, schön gelegen gegenüber des riesigen Jardin de Tuileries. Nur ein paar Häuser neben der Buchhandlung, das ‚Café Angelina‘, seit 1903 eine „süße“ Pariser Institution im feinsten Belle Époque Interieur. Das Café ist bekannt und bei Touristen sehr beliebt. Es kann vorkommen, dass man sich in eine Schlange einreihen muss, um irgendwann einen Platz zugewiesen zu bekommen. Das Warten lohnt sich, denn die berühmte, heiße Schokolade ist ein unvergleichliches Geschmackserlebnis und die Kuchen, Törtchen und Plätzchen eine Augenweide. Alles hat natürlich seinen Preis.

Von der Metrostation Pont Neuf aus, marschierten wir anschließend über den Quai de Conti in Richtung ‚Institut de France‘, vorbei an der 800 Jahre alten Rue de Nevers. Obwohl fast gegenüber vom Pont Neuf gelegen, wird sie kaum von Touristen bemerkt, wahrscheinlich weil sie so schmal ist.

Die Académie française ist heute Teil des Zusammenschluss‘ von vier Akademien und Sitz von Wissenschaft und Kunst. Sie ist von diesen die Berühmteste und gilt als Hüterin der französischen Sprache und Literatur. In diesem altehrwürdigen Gebäude hat das gemeine Volk keinen Zutritt, mit Ausnahme der ‚Bibliothèque Mazarine‘. Die Bibliothek war die erste öffentliche Bibliothek Frankreichs und besitzt ca. 600 000 Werke. Der Eintritt ist kostenlos, man benötigt lediglich einen Personalausweis.

Ich kann jetzt nicht schreiben, dass es mir die Sprache verschlagen hat, als ich die Bibliothéque betrat, denn gesprochen werden darf nicht, man kann allerhöchstens leise flüstern. Aber ich habe tatsächlich die Luft angehalten. Der Anblick der Räume, vor allem des großen Lesesaals ist… atemberaubend. Die historische Einrichtung von 1691 ist noch erhalten. An den Wänden reihen sich die Bücher in wunderschönen alten Holzregalen und sind teilweise über alte Leitern zu erreichen. Mittig im Lesesaal sind Tische angeordnet und mit PCs ausgestattet, denn heutzutage sind natürlich alle Werke digitalisiert. Da wir Besucher waren, konnten wir weder einen Blick auf einen PC werfen, noch auf einem der Stühle Platz nehmen. Das ist den Forschenden vorbehalten, die hier in Ruhe arbeiten wollen. Auch der Dielenfußboden ist historisch und knarrte bei jedem unserer Schritte, was uns etwas peinlich war. Die Räume strahlen eine ganz besondere Atmosphäre aus. Das Wissen von Jahrhunderten, aufbewahrt in tausenden Büchern, hat uns tief berührt und es war schwer, den Weg zurück in die wuselige Stadt zu gehen.






Da das 6. Arr. in der Nähe ist, sind wir noch ein wenig durch das Viertel geschlendert. In den vergangenen Jahren habe ich es immer als unsäglich überfüllt erlebt und daher meist gemieden. Diesmal war es, wahrscheinlich wegen des schlechten Wetters, ruhig und (fast) menschenleer. Die Gegend rund um Saint-Germain-des- Prés ist sehr schön und sehr geschichtsträchtig. Die verwinkelten Strassen und kleinen Gassen, Restaurants wie das ‚Le Procope‘, das zu den ältesten Gaststätten der Welt gehört, die literarischen Cafés, wie das ‚Café de Flore‘ und das ‚Les Deux Magots‘, Plätze, Kirchen, Märkte, Hinterhöfe…allein dieses Viertel füllt ganze Bücher.



Zum Abschluss des Tages standen wir noch vor der Kirche St-Julien-le Pauvre, ein Gotteshaus mit einer bis ins 6. Jahrhundert zurückreichenden, überaus wechselvollen Geschichte. Es fällt heute schwer, sich die prunkvollen Zeiten dieser Kirche vorzustellen. Eine wunderbare Zeremonie des Mittelalters fand in diesen Gemäuern statt. Die Rektoren der Sorbonne wurden hier gewählt und bekamen den Hermelinmantel umgelegt und das Siegel der Universität überreicht. Von den glanzvollen Tagen ist nichts mehr übrig. Geblieben ist ein Ort der Stille und Einkehr, in dem der Lärm der Stadt keinen Zugang hat. Im seitlichen, kleinen Park wächst, mittlerweile durch Pfähle abgestützt, der älteste Baum von Paris, eine Robinie, durch deren Äste die Türme von Notre Dame schimmern.


