Encore Paris 2022 Teil II

Am nächsten Tag gab es dann ein starkes Temperaturgefälle und es war vorbei mit dem Frühling. Wir hatten zwar Schirme und auch wärmende Kleidung dabei, trotzdem haben wir uns entschlossen, den Tag indoor zu verbringen.

Zuerst waren wieder die Stoffgeschäfte dran. Da ich darüber beim letzten Mal sehr ausführlich berichtet habe, beschränke ich mich nur auf die Erwähnung, dass alles genau so war, wie ich es in Erinnerung hatte. Diesmal sind wir etwas gezielter vorgegangen und ich habe mich nicht so sehr verzettelt, wie davor. Platt waren wir trotzdem. Da das Frühstückscroissant nicht so lange satt macht, haben wir uns auf die Suche gemacht und sind wegen des einsetzenden Regens rasch irgendwo eingekehrt. Der gewählte „Italiener“ war erstaunlich gut, obwohl ich in Paris lieber französisch esse.

Danach stand ein Museumsbesuch auf dem Plan. Das Musée de „L’Histoire de la Médecine“ im Quartier Latin ist in der Université Paris Descartes beheimatet. Es gibt zwar Hinweisschilder zum Museum am Eingang, aber leicht zu finden ist es trotzdem nicht. Man muss lange Flure und viele Treppen überwinden, bevor man durch eine unscheinbare Tür eintreten kann. Steht man dann in dem großen Raum, mehr ein Saal mit einem schönen Glasdach und Vitrinen, umfängt einen gleich eine ganz ungewöhnliche Atmosphäre. Hier weht ein Hauch von altem Wissen und Entdeckerfreude. Gezeigt wird eine Sammlung historischer Medizininstrumente und Produkte, die einen Einblick in die Medizintechnik und Behandlungsmethoden von der Antike an gewährt. Wie so oft überkommt mich das Gefühl von Dankbarkeit, dass ich in der Jetztzeit lebe, denn die Behandlungspraxis die dort dargestellt wird, treibt einem den Schweiß auf die Stirn. Das gruseligste Objekt ist ein Glastisch, der komplett aus menschlichem Material gefertigt ist, hergestellt durch einen geschickten Einbalsamierer. Aber als Tisch? Ich stellte mir dauernd vor, wie man sein Getränk auf Drüsen, Ohren, Wirbelkörper, Blut und einen Fuß abstellt…

Mir ist es schleierhaft, dass dieses Museum völlig unbemerkt von jeglichem Tourismus existiert, denn es ist die älteste Sammlung in Europa, die sich diesem Thema widmet.

Das Museum
Ersatzaugen
Beistelltisch aus menschlichen Einzelteilen

Da wir uns im Quartier Latin befanden, haben wir auch noch einen Rundgang angeschlossen. Auch hier war ich lange nicht mehr, weil ich die ausufernden Touristenströme so gar nicht mag. Diesmal war es, na ja, nicht wirklich menschenleer, aber wegen der unbestimmten Wetterlage wirklich akzeptabel. Wir konnten in aller Ruhe durch die alten, schöne Gassen schlendern, Fassaden bewundern, in Geschäften und Galerien stöbern und uns unseren Vorstellungen überlassen, was diese Straßen und Häuser schon alles gesehen haben. Zwischendurch war ich völlig in der Zeitschleife gefangen, denn hier habe ich gewohnt, als ich das erste Mal mit 18 Jahren eine Zeit in Paris verbrachte.

Dieses Straßenschild aus dem 5. Arr. hängt bei uns im Flur (ganz legal erworben :-))
Rue Suger

Mitten in dem ganzen Gewusel von Souvenirkitsch und Fressbuden der Touristenhochburg, liegt die Kirche Saint-Séverin. Dieses gotische Gotteshaus gilt mit als die älteste und für mich schönste Kirche der Stadt. Drinnen ist es still und man kann sich ausruhen, meditieren oder die unvergleichliche Architektur bewundern. Immer wieder fällt der Blick auf die gedrehte Säule in der Mitte, die sich zur Decke hin windet und sich dort mit den anderen Säulen verwebt. Das alles hat eine Leichtigkeit, die geneigt ist, alles Schwere außen vor zu lassen.

Wasserspeier, schöner als die von Notre Dame und vor allem, von unten besser zu sehen
Saint Séverin mit gedrehter Säule