Essen und Frankreich sind eins. Stimmt das, oder wird lediglich ein Klischee bedient? Es stimmt, obwohl Frankreich nicht das einzige Land auf der Welt ist, wo man gut isst und diesem Vorgang viel Aufmerksamkeit schenkt. Essen, Mahlzeitenfolge, Menüauswahl, Lebensmitteleinkauf, Restaurants und Qualität der Produkte nehmen einen großen Raum im Leben der Franzosen ein. Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, mit welcher Hingabe und Ausdauer dort über das Essen und dessen Zutaten diskutiert wird. Daraus resultieren oft stundenlange Gespräche. Wo kauft man am besten dies oder das ein? Welches ist das beste Rezept für…? Welches Restaurant hat das beste….?
Für uns Deutsche ist es verwunderlich, dass die Nahrungsaufnahme so eine große Bedeutung hat, weil wir das nicht annähernd teilen. In Deutschland gibt es viele ebenfalls gute bis sehr gute Restaurants, aber haben wir deshalb eine ausgeprägte Essenskultur? Ich wage zu behaupten, dass dem nicht so ist, denn die Bedeutung, die in Frankreich dem Essen beigemessen wird, hat bei uns nicht diese Tradition.
In Frankreich gliedert sich ein Tag in Essenszeiten. Diese sind traditionell mittags zwischen 12 Uhr und 14:30 Uhr und abends ab 19 Uhr. Daran wird sich gehalten und die Restaurants und Cafés sind darauf eingestellt. Das Frühstück lasse ich weg, das spielt keine große Rolle. Ab zwölf Uhr füllen sich die Lokale und manchmal ist es mittags schwer, noch einen freien Tisch zu ergattern. Abends ist es klug, einen Tisch vorher zu reservieren. Das gilt übrigens für jeden Tag in der Woche. Es macht Sinn, sich diese Zeiten einzuprägen, denn außerhalb dieser Zeitspanne gibt es (fast) nix. Natürlich kann man sich in Geschäften etwas kaufen, aber im Restaurant wird danach nichts mehr serviert. Wer nachmittags Hunger bekommt hat Glück, wenn in Cafés ein Sandwich (oft pappig) oder (besser) ein Croque, oder eine Quiche (gut) zu bestellen ist. Nach dem Mittagessen beginnt schon langsam wieder die Zeit für den Apéritif, oder Apéro. Nach dem Essen ist vor dem Essen. Möchte man dagegen während der Essenszeiten lediglich etwas trinken, kommt nur die Bar in Frage, weil die Tische schon eingedeckt sind und damit die Zeichen wieder auf Essen stehen.

Un Café ist ein Espresso, schwarz, stark und mit Zucker. Der geht zu jeder Tageszeit. Kuchen, wie wir es von Deutschland kennen gibt es auch, aber in der Regel ist das ein Dessert. In den Touristengebieten stellt man sich auf die Gäste ein und ich habe sogar schon mal einen Cheesecake und Cappucino am Nachmittag bekommen. Ach übrigens, ein Café in unserem Sinn ist in Frankreich ein Salon de Thé. Der ist durchaus mit deutschen Cafes zu vergleichen und bietet Leckereien in großer Auswahl. Will man Kuchen, Törtchen, Petit fours oder Macarons einkaufen, geht man in eine Pâtisserie, diese entspricht unserer Konditorei. In einer Boulangerie kauft man Brot, Croissants und oft auch Teilchen. Ist tatsächlich manchmal verwirrend.


In einem Land, das so viel Wert auf gutes Essen legt, gibt es selbstverständlich auch viele Restaurants. Das ist tatsächlich flächendeckend. Wir sind noch nie in einem auch noch so kleinen Dorf gewesen, wo nicht mindestens ein Restaurant war.
Vorspeise ( L’Entrée), Hauptgericht (Plat principal), Dessert, ist die klassische Reihenfolge für ein Essen in Frankreich. Diese wird meist auch eingehalten, zumindest am Abend. Wem das zu mächtig ist, kann ein ‚Formule‘ wählen, das die meisten Lokale mittlerweile anbieten. Aus einer Auswahl von Vor, Haupt und Nachspeisen kann man sich entscheiden: entweder Entrèe und Plat, oder Plat und Dessert. Wer noch Kaffee und/oder Digestif zu sich nimmt, rundet damit das klassische Menü ab. Ach ja, den Käse bitte nicht vergessen! Irgendwo zwischen Plat und Dessert findet der auch noch den Weg in den Magen.






Mittags gibt es auch Kleinigkeit zu essen, z.B. einen Salat. Abends ist das schwieriger und in Frankreich nicht üblich. Ein Salat ist keine Beilage, sondern eine Vorspeise. Allerdings ruft es keine Verwunderung hervor, wenn man sich die Vorspeise teilen möchte.
Als Getränk wird üblicherweise Wein bestellt, auch mittags. Wasser (L’eau de robinet) kommt aus dem Kran und wird kostenlos dazu serviert, manchmal muss man danach fragen. Man kann auch nur Wasser trinken, das ist in Ordnung. Was nicht in Ordnung ist, sind Softdrinks. Das geht wirklich nur, wenn Kinder dabei sind. Cola und Co sind in Restaurants echt teuer und nicht üblich. Bier, oder wie in der Bretagne der Cidre, stehen normalerweise auf jeder Getränkekarte. Bier wird gerne auch als Apéro gewählt.
Es ist eine gute Erfindung, dass die Speisekarten vor jedem Restaurant aushängen und auch durchaus üblich, diese vorher zu studieren. Man bekommt schon einen Eindruck, was einen drinnen erwartet und kann vorher entscheiden. Oft hängt auch eine Tafel mit einer besonderen Empfehlung im Restaurant, oder wird an den Tisch gebracht.

Hat man das Restaurant betreten, muss man warten, bis einem ein Platz angeboten wird. Das dauert nie lange, weil der Dienstleistungsbereich vorbildlich ist. Die Kellner sind freundlich und fix und der Gast wirklich König. KellnerInnen ruft man mit ‚Monsieur‘, oder ‚Madame‘, wenn es eine Kellnerin ist. Sie bringen es auch fertig, in einem überfüllten Raum an einem Tisch mit sechs Gästen, die Gerichte gleichzeitig zu servieren.
Da steht, oder sitzt man nun vor der Speisekarte und fragt sich ratlos, was das wohl alles ist, was dort aufgelistet steht. Es hilf nichts, es muss ein Übersetzer ran, damit man wenigsten ungefähr weiß, was nach der Bestellung auf dem Teller liegt. Wer französisch sprechen kann, sollte unbedingt fragen. Es ist normal, eine Beratung zum Menü und auch zum dazu passenden Wein zu bekommen. In Frankreich wird das fast erwartet. Ich würde jedem empfehlen, sich ein gewisses „Restaurantfranzösisch“ anzueignen, sonst könnte es sein, dass man nur das bestellt, was man kennt und das wäre schade, weil einem dann die meisten Köstlichkeiten entgehen. Leider sind, auch in touristischen Gebieten, die Speisekarten nie in englischer Version zu haben. Beim Essen sind die Franzosen eigen.
Ich habe mir vor vielen Jahren einen „Essdolmetscher Frankreich“ angeschafft. Das war eine überaus lohnende Investition. Über die Geschichte, dass ich vor vielen Jahren mal vor einer Kuttelwurst saß und sie nicht essen konnte, lachen meine Kinder sich heute noch kaputt. Gerichte haben häufig sehr phantasievolle Namen, aber mein Buch kennt sie alle.
Brot wird gratis dazu gereicht. In Frankreich gibt es kein Essen ohne Baguette. Bezüglich des Preises ist das Menü immer günstiger als Einzelbausteine à la Carte. Trotzdem kommt am Ende meist ein hübsches Sümmchen zusammen. Service und Steuern sind inklusive, trotzdem lässt man ein kleines Trinkgeld auf dem Teller, oder worauf die Rechnung sonst gebracht wird. Das meistbenutze Zahlungsmittel ist die Kreditkarte, oder EC Karte., auch für kleinere Beträge, auch auf Märkten…eigentlich überall. Solltet ihr mit einer Gruppe ein Restaurant aufsuchen, zahlt einer und man dividiert hinterher alles auseinander. Die Rechnung beim Bezahlen auseinander zu nehmen ist nicht üblich.

Die französische Küche ist immer noch sehr fleischlastig. Fisch steht auf jeder Speisekart und ist in der Regel ganz frisch. Vegetarische, oder gar vegane Gerichte sind eher die Ausnahme. In den Städten hat man da mehr Erfolg, als in der Provinz.
Innereien stehen häufig auf Speisekarten, da sollte man genau hinschauen, was man bestellt (siehe Kuttelwurst). Auch die Entenstopfleber ist nicht auszurotten. Schweinsfüße, Kalbsköpfe, Zunge, Ochsenmaul ….alles noch zu haben, besonders in der Bistroküche. Froschschenkel habe ich nicht mehr gesehen, seit ich zum ersten Mal mit 18 Jahren in Paris war und sie auch gegessen habe…man verzeihe mir meine jugendliche Unwissenheit. Leider gibt es in Paris die Zwiebelsuppe nur noch in wenigen Restaurants zu genieße, seit die Hallen von Paris nach Rungis umgezogen sind.
Wenn man eine Ferienwohnung angemietet hat und selbst kocht, ist Frankreich das Schlaraffenland schlechthin. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Die Märkte sind eine Augenweide mit einer unglaublichen Vielfalt. Verkäufer sind es gewohnt, dass die Kunden wählerisch sind. Sie zeigen einem jeden Apfel einzeln und man nickt dazu. Keiner haut einem auf die Finger wenn man selbst etwas anfasst, üblich ist es nicht.
Supermärkte sind riesig und bieten ebenfalls frische Produkte an. Auch hier gilt: der Kunde ist König. An den Kassen wartet man geduldig. Alte Menschen werden nicht genötigt, sich zu beeilen und dürfen auch in Ruhe ihr Kleingeld abzählen. Es dauert halt, so lange es dauert. Ist man selbst an der Reihe, wird man sehr freundlich begrüßt und verabschiedet. Wie oft habe ich mir das schon für Deutschland gewünscht, wenn ich Läden betrete, in denen die Kunden offensichtlich stören.
Bei diesem Überangebot an Lebensmitteln frage ich mich immer wieder, warum die Franzosen schlanker sind, als die Deutschen? Mag sein, dass sie nicht so viel nebenher essen und die Gewichtung mehr auf die Hauptmahlzeiten legen? In Paris habe ich oft beobachtet, dass die Frauen zwar ein Menü mit mehreren Gängen bestellen, aber häufig nur ein wenig davon essen. Na ja, dieses Problem hatte ich eher nicht.


Jede französische Region hat ihre kulinarischen Besonderheiten. In der Bretagne sind die Crêpes berühmt und wirklich gut. Wobei mit Crêpe dort die süße Variante gemeint ist. Die pikante Version ist das Galette, oder Blé noir und wird aus Buchweizenmehl hergestellt. Beides schmeckt köstlich. Crêperien, die heißen so wie bei uns, bieten auch Crêpe Menüs an. Da kann man drei Gänge Crêpes essen und ist hinterher pappsatt. Wem das zu viel ist, bestellt ein Blé noir und einen Crêpe als Dessert. Dazu einen Cidre brut, der in hübschen Keramiktassen serviert wird. Cidre gibt es in der Bretagne in großer Auswahl. Welchen man wählt ist natürlich Geschmacksache. Ob doux (süß) oder brut (herb) , der Unterschied ist wie beim Wein. Wer zweifelt kann sich beraten lassen, oder fragt nach dem regionalen Produkt…da liegt man immer richtig.

Welche Tipps könnte ich sonst noch geben?
Vielleicht, dass Wein zum Essen, oder Apéro gehört. Nach dem Essen noch ein Fläschchen zu bestellen, weil es so gemütlich ist, wird nicht gemacht. Nach dem Café ist das Essen beendet und somit auch der Wein.
Lasst euch nie von Papiertischdecken, oder rustikalem Geschirr abschrecken. Auch eine kitschige Einrichtung ist keine Grund, ein Lokal zu meiden. Das sagt nichts über die Qualität des Essens aus.
Vorsicht, wenn aufdringliche Schilder zu sehen sind mit „man spricht deutsch“, oder „english spoken“. Hier handelt es sich in der Regel um Touristenfallen mit schlechter Qualität.
Kleine, überfüllte Restaurants, manchmal mit Warteschlangen vor der Tür, wo einem die französische Sprache entgegen schallt sind es meist wert, sich einzureihen.
Bekannte Tempel der Esskultur haben ihren Preis. Nach oben hin gibt es da wenig Schamgefühl. Selbst wenn man sich das nicht leisten möchte, oder kann sind sie es wert, dort mal einen Blick hinein zu riskieren, weil in der Regel ein wunderschönes Dekor mitgeliefert wird. Sollte euch jetzt vielleicht das Wasser im Mund zusammen gelaufen sein wünsche ich euch:
Bon appétit!

Zur Zeit als wir Frankreich bereist haben war zwar noch Sommer, aber die Pandemie natürlich allgegenwärtig. Am Eingang, wo man ohnehin immer warten muss, wurde der Impfpass eingescannt. Ohne Pass, kein Restaurantbesuch. Das galt auch für die gesamte Außengastronomie. Wohlgemerkt das war zu einer Zeit, als in Deutschland noch Zettel ausgefüllt wurden.
Zwischenzeitlich hat sich die Lage durch die vierte Welle wieder verschärft. Aber das ist eine andere Geschichte…..