10. Die Bretagne Teil II

Camaret-sur-Mer ist ein charmanter Küstenort. Einst war er der bedeutendste Langustenhafen Frankreichs. An der weiten Hafenbucht wippen heute Sportsegler im Wasser. Bemerkenswert ist der Schiffsfriedhof, der mich total gefesselt hat. Ich malte mir aus, was diese Schiffe erlebt und gesehen haben, bevor sie in den Ruhestand versetzt wurden. In unserem Plastikzeitalter fällt es schwer sich vorzustellen, dass all diese Schiffe aus Holz gebaut wurden. Sie verrotten in einem eigens dafür reservierten Hafenabschnitt, sind bereits halb verfallen und….wunderschön. Trotz ihres desolaten Zustands wirken sie majestätisch und irgendwie erhaben. Mir gefällt der Gedanke, dass sie in Würde vergehen dürfen und trotzdem die Macht haben, unsere Phantasie zu beflügeln. Es ist mir schwer gefallen, mich von dem Anblick dieser Schönheiten zu lösen.

Schiffsfriedhof in Camaret-sur-Mer

Mehr durch Zufall sind wir am Ortsausgang auf die Alignements de Lagatjar gestoßen. Diese Steinreihen aus Riesenbrocken sind eines der großen Mythen eines ohnehin schon sehr mystischen Landes. Hinkelsteine, wie Obelix sie nennt, gibt es in der Bretagne an mehreren Orten. Die bekanntesten sind die Menhire von Carnac im Süden der Bretagne. Man weiß nicht wirklich etwas über sie, weder die Bedeutung noch warum sie aufgestellt wurden. Wahrscheinlich ist der Umstand, dass so wenig über sie bekannt ist der Grund, dass sie so einen enormen Reiz auf unsere Vorstellungskraft ausüben. Sie sind alt, das ist erforscht. Ich habe Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass ihr Alter auf 4000 bis 6000 Jahre geschätzt wird. Warum sie dort stehen ist nicht bekannt. Das ist der Stoff, aus dem Mythen entstehen. Von versteinerte Soldaten, bis zu Grabstellen mit beigelegten Schätzen ist alles dabei. Es ist bestimmt diesen Mythen zu verdanken, dass sie bis heute unangetastet sind. Die Legende besagt, dass derjenige, der nach den Schätzen gräbt, sterben wird.

Die Steinreihen von Lagatjar sind im Gegensatz zu denen von Carnac, frei zugänglich und viel weniger. Von den ehemals 400 Steinen sind heute noch 72 übrig. Ich hoffe, dass die Besucher weiterhin sorgfältig darauf bedacht sein werden, sie zu schützen. In der Vergangenheit sind viele Steine durch unvorsichtige Besucher umgefallen und mussten mühsam wieder aufgerichtet werden. Lassen wir sie unberührt ihr Geheimnis bewahren.

Alignements de Lagatjar

Ein umfriedeter Pfarrbezirk ( Enclos Paroissial ) ist ein in sich geschlossenes Ensemble und stellt eine Besonderheit dar, die es nur in der Bretagne gibt. Er besteht aus einer Kirche, einem Triumphtor, einem Friedhof mit Beinhaus und einem Kalvarienberg. Es gehört praktisch zum Pflichtprogramm eines Bretagneurlaubs, wenigstens einen davon zu besuchen. Neben sehr großen und bekannten Pfarrbezirken gibt es auch kleine und versteckte, die nicht weniger schön sind. Die Bilder zeigen den Enclos Paroissial Sainte-Marie-du-Mènez-Hom. Dieses Ensemble lag an einer Durchfahrtstraße, die nicht so stark befahren war. Fast wären wir dran vorbei gefahren und hätten dieses Kleinod verpasst. Hat man das Eingangstor erst einmal passiert, tut sich eine andere Welt auf. Uns erwartete eine friedliche Stimmung, was man gewiss nicht von allen behaupten kann. Die bekannten Pfarrbezirke von Guimiliau, Pleyben und Saint-Thégonnec sind von Touristen überlaufen. Alle diese Enclos paroissials sind sehr gepflegte Anlagen mit der Erhabenheit einer jahrhundertealten Geschichte.

Bretonen gehören, wie die meisten Franzosen, dem katholischen Glauben an und gelten als fromm. Das hat sie allerdings noch nie gehindert, sich ebenfalls mit den Dämonen und Geistern der keltischen Sagenwelt zu identifizieren. Die Dämonen sind wohl kleinwüchsig, daher ist die Schwelle des Triumphbogens besonders hoch und hält sie ab. Innerhalb der Mauern ist die Welt katholisch und darf nicht von Untoten bedrängt werden. Alles existiert in der Bretagne friedlich nebeneinander und füttert unsere Phantasie.

Umfriedeter Pfarrbezirk/ Saint-Marie-du-Ménez-Hom

Kalvarienberge ( Calvaire ) stehen nicht nur in den Umfriedungen. Sie sind oft auch vor einer Kirche zu finden, oder stehen für sich alleine. Diese Calvaires erzählen Geschichten. In einer Zeit, als das „einfache Volk“ weder lesen noch schreiben konnte, zeigten sie den Menschen die Passion Christi und sind auch heute noch Orte der Andacht und Wallfahrt. Mittelpunkt ist das Kreuz, um das die aus Granit gemeißelten Figuren angeordnet sind. Man ließt sie wie einen Comic ( kleine Anmerkung: Franzosen lieben Comics ). Allerdings ist ein Calvaire kein Berg,. Die Figuren stehen nur auf einem Sockel und sind einfach gestaltet, da der harte Granit schwer zu bearbeiten ist.

Der oben gezeigte Calvaire steht bei der Kirche Notre-Dame-de-Tronoën und ist der älteste Kalvarienberg der Bretagne. Einige Figuren sind stark verwittert, andere noch gut zu erkennen. Alles in allem sind sie total beeindruckend. Auch diesen Ort haben wir ungerne verlassen, weil er einen Zauber ausübt, dem man sich schwer entziehen kann.

Kirchen gibt es reichlich in der Bretagne. Oft findet man großartige Gotteshäuser in eher einfachen und kleinen Ortschaften, oder auch direkt am Meer. Es lohnt sich immer, sie auch von innen anzuschauen, sei es wegen der Ausgestaltung, oder für eine kleines Dankesgebet für einen schönen Urlaub.

Au revoir Bretagne!

Irgendwann muss man sich von jedem Urlaub verabschieden. Manchmal fällte es schwerer als üblich. Bei uns war es der Abschied von der Bretagne. Sei es wegen der Pandemie, die uns lange Zeit vom Reisen abgehalten hat, sei es wegen dieser Region, die uns beeindruckt und verzaubert hat. Es sind tausend Eindrücke und viele Momente, die wir als Andenken einpacken durften. Trotzdem bleibt das Gefühl, jede Menge verpasst zu haben. Auch diesmal sagten wir uns, wie fast nach jedem Urlaub, den Satz: “ ist fürs Wiederkommen!“

Wir haben zwar die Bretagne verlassen, aber nicht Frankreich, denn es stand noch Paris auf dem Programm. Mit Erinnerungen und Erwartung haben wir uns auf die Reise in die französische Hauptstadt gemacht, die wir gefühlt eine Ewigkeit nicht besucht haben…..

1 Kommentar

  1. Caligari sagt:

    Bin im Geiste noch einmal mitgefahren 😀. Sooooo schöööön 🥰🥰!

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